Welche Emotionen - in Zeiten der Quarantäne - kommen in der Familie auf?
/Ich erhalte viele Zuschriften in denen Ihr beschreibt, welche Auf und Abs Ihr gerade in der Zeit der Quarantäne durchlauft. Was vielen zu schaffen macht sind die Gefühlsschwankungen, an einem Tag läuft es gut und man kann der Situation positives abgewinnen, am nächsten Tag stehen die Empfindungen plötzlich Kopf, Emotionen kochen hoch und Konflikte entstehen, in einem selbst und untereinander.
Woran liegen diese Schwankungen? Wir haben gerade wenig Kontrolle über die Situation und wir versuchen immer die Kontrolle, die uns möglich ist, zu ergreifen. In dieser Zeit ist das schwer, da wir von Experten und der Politik geleitet werden. Unsere Parts, wie z.B. die Solidarität, die Vernunft, der Intellekt fällt es leichter damit um zu gehen, wiederum unserer Skepsis, das Verständnis stellen Dinge in Frage. Dieser innere Prozess des Abwägens ist wichtig, aber kostet, in Extremsituation wie diesen, sehr viel Energie.
Auf was haben wir gerade Einfluss und können ein Stück Kontrolle gewinnen?
Auf unser Immunsystem zum Beispiel. Schlaf, Bewegung, frische Luft, Nahrung und Psyche, sind wichtige Faktoren, die zur Unterstützung unseres Immunsystems dienen und auf diese Faktoren haben wir Einfluss. Viele werden gerade sehr kreativ beim Kochen, andere Joggen, um sich fit zu halten und nicht nur das, Sport hilft auch Stresshormone abzubauen und positive Hormone auszuschütten. Alles, was eine positive Wirkung auf uns hat (unsere Bedürfnisse) zahlen wir auf unser Energiekonto ein. Je mehr auf dem Konto ist, desto mehr Kraft haben wir in dieser Krisenzeit.
Alle Faktoren sind recht klar, bis auf die Psyche, was können wir für sie tun, damit auch sie fürs Immunsystem unterstützend bleibt? Wie wirken sich zum Beispiel die oben genannten Schwankungen in der Familie aus?
Als Familie ist man ein System und jedes System hat eine Dynamik, gesteuert von dem Zusammenspiel aufkommender Emotionen im System. Kinder haben von Geburt an sehr ausgeprägte Emotionen, denn das ist die Sprache, die sie von Anfang an sprechen und verstehen. Sie saugen alles auf und spiegeln dies auch in ihrem Temperament wider. Was schnell eine Backfire Emotion hervorrufen kann, wenn man sich nicht bewusst ist, dass das Kind aufgebracht ist, weil es die Dynamik widerspiegelt.
Was ist eine Backfire Gefühl?
Gerade jetzt ist die Stimmung zu Hause angespannt, das spüren Kinder und saugen es auf, ob sie wollen oder nicht, gleichzeitig haben sie noch ihre eigenen Gefühle, die nur ihre Welt betreffen. Sie vermissen ihre Freunde, müssen sich in eine neue Tagesstruktur einfinden und geraten an ihre Grenzen – kurz sie sind schnell gebeutelt.
Eltern im Gegenzug, mit all ihren verschiedenen Rollen auf einmal konfrontiert, gefühlt, wie der Teller-Akrobat im Zirkus, der mehrere Teller auf einmal versucht in Balance zu halten, damit keiner fällt und zerbricht, sind mit all ihren Rollen, ob Mutter/Vater, Businessfrau/Mann, KG/Lehrerersatz und vielen mehr, permanent im Einsatz. Alle möchten ihr Bestes geben und kommen auch schnell an ihre Grenzen.
Nehmen wir mal an, nach all den Mühen, stellt ein Kind zum Beispiel die Frage, wann macht der Kindergarten/Schule wieder auf, gefolgt von kann ich meinen Freund/in heute sehen?
Was geht in einem dann vor, was löst das in einem aus? Die Mutter/Vater Rolle fühlt sich wahrscheinlich nicht gut genug und das schlechte Gewissen, die unangenehmen Gründe dafür wieder erklären zu muessen. Dieses destruktive Gefühl hat einen großen Bruder, einen Verteidiger, die Wut. Das heißt die häufigsten Antworten sind dann, das habe ich doch schon erklärt, ich mache hier alles für dich und dir ist das nicht genug, du bist undankbar und vieles mehr - es wird beschuldigt. Aber, auch des Kindes Schuldgefühl hat einen großen Bruder, die Wut und meist werden Kinder noch gleichzeitig traurig, da sie den Eltern nicht mehr gefallen (disconnect), das schürt die Wut noch mehr und der Konflikt mit zwei Verteidigern (Elternteil & Kind) im Duell, ist entfacht.
Was ist hier genau passiert? Hier wurde auf das Gefühl, nicht gut genug zu sein, reagiert, aber nicht auf die tatsächliche Frage. Diese Gefühle nenne ich Backfire Gefühle, die in uns ausgelöst werden, aufgrund von Verhaltensweisen anderer.
Wie können wir solche Konflikte abfangen und gar vermeiden?
Die Trennung der eigenen Welt von der Kinderwelt ist der wichtigste Schritt, um Abstand zu dem eigenen Backfire Gefühl zu bekommen. Sich bewusst machen, dass man sich gerade nicht gut genug fühlt, weil man selber überwältigt ist von der Situation und hofft sein Bestes zu geben. Absolut verständlich. Zweiter Schritt, sich gestatten, dass man nicht der Ersatz für Kindergarten/Schule und Freunde ist, genauso wie die Freunde umgekehrt nicht das Elternteil ersetzen. Jede Rolle hat ihre Wichtigkeit und unterschiedliche Bedürfnisse.
Dritter Schritt, Kindern Raum für eigene Gefühle geben, Verständnis zeigen für ihre Welt, für das Vermissen ihrer Freunde. Da sein, in den Arm nehmen, ist genug, es muss nichts gefixt werden. Vierter Schritt, NACHDEM das Kind das Gefühl des Vermissens prozessiert hat, fragen was ihm/ihr jetzt guttäte? Damit helfen wir die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu nutzen, die innere Motivation zu entfachen. Wenn ihnen nichts einfällt, dann anspornen und sagen, dann warte noch einen Moment, ich bin sicher Dir fällt bald etwas ein. Bewußt, Blame und Shame vermeiden.
Wie gehe ich mit meinem eigenen Backfire Gefühl um?
Erster Schritt, sich selbst verstehen, Verständnis für sich und die Situation haben und bewusst die Fakten im Auge behalten, wie lautete die Frage und was habe ich gehört? Da liegen oft Welten dazwischen, weil wir nicht auf die Fakten antworten, sondern auf das Backfire Gefühl, das die Frage in uns auslöst. Zweiter Schritt, die Welt der Kinder verstehen und ernst nehmen, sie nicht mit der erwachsenen Welt vermischen. Raum und Zeit sind dort Momente mit Impulsen verschiedener Gefühle. Die Probleme der Kinder sind echt, wenn wir das respektieren, desto weniger Konflikte haben wir. Nicht ernst genommen werden, erzeugt neue Layer von Gefühlen, wie Traurigkeit, Wut, Frust etc. Dritter Schritt, FÜR sein eigenes Gefühl sprechen, wie zum Beispiel, ich bin traurig weil…ich hatte heute einen anstrengende Tag…ich brauche jetzt ein paar Minuten für mich…ich fühle, dass Wut in mir aufsteigt….Damit bleiben wir in der Ich-Botschaft und nicht in der Du-Schuldzuweisung.
Aber was tun, wenn der große Bruder/Verteidiger des Backfire Gefühls doch spricht?
Wir sind Menschen und keine Gurus und das soll auch nicht das Ziel sein. Dann ist es ganz wichtig, wenn man merkt, dass der Konflikt aufgrund eines eigenen Backfire Gefühls entfacht wurde, sich dafür zu entschuldigen. Damit zeigen wir keine Schwächen, sondern bilden Vertrauen und die Bindung ist wiederhergestellt.
Auf Backfire Gefuehle stoßen wir nicht nur mit Kindern, sondern auch mit den Partnern, Freunden, dem Team, Kollegen, Chef im Job usw. Jeder hat diese. Je mehr wir jedoch unserer-Selbst-bewusst-werden (Self-Leadership), desto besser verstehen wir auch die Backfire Gefühle unserer Gegenüber und können Konflikte zu Hause oder im Job schnell abfangen und gar vermeiden.
Wie gebe ich dem System Familie Struktur und wie setze ich Grenzen, warum ist dies so wichtig in der Zeit der Krise? - Mehr dazu im nächsten Blog.
Viele Grüße,
Birgit Rohm
Founder Medio Coaching / br@mediocoaching.com / www.mediocoaching.com